Astro-Look:
1967 kreiert,
jetzt
Benefiz-Replik für fiftyfifty
Schmuck 2000
Der
Künstler Hajo Bleckert (1927-1998) machte 1967 mit Schmuck "im Stil
des Jahres 2000" Furore. Seine kinetischen Werke, die das Licht in
millionenfachen Schattierungen reflektieren, waren in fast allen Zeitungen
und Zeitschriften zu sehen. Pünktlich zum Anbruch des neuen Milleniums
ist Bleckert's Astro-Look als Benefiz- Arbeit für fiftyfifty
und die
Obdachlosenhilfe wieder da.
Von
Gerda Kaltwasser
Wer hat
1967 schon an das Jahr 2000 gedacht? Wir hatten andere Sorgen,
Vietnamkrieg, Studentenunruhen, Außerparlamentarische Opposition, erste
Hausbesetzungen. Künstler mischten sich in die Politik ein,
Schriftsteller wie Günter Grass, bildende Künstler wie Joseph Beuys.
Beide übrigens mit Düsseldorf verbunden.
An die
Zukunft dachten alle, sogar weiträumig und weit voraus. Aber nicht in
Daten. Oder doch? Einer jedenfalls verblüffte die Öffentlichkeit, als es
noch ein Drittel Jahrhundert bis zur magischen Jahrtausendwende war, mit
einem Millenium-Schmuck. Das war Hajo Bleckert, damals 40 Jahre alt. Seit
mehr als zehn Jahren lebte und arbeitete der gebürtige Stralsunder in
Düsseldorf. Man nannte ihn, ganz gegen seinen Willen, in einem Atemzug
mit den Künstlern der Gruppe Zero, mit Otto Piene, Heinz Mack, Günter
Uecker. Dessen Markenzeichen wurde der Nagel.
Bleckert,
der bärenstarke, bärtige, eigenbrötlerische Hajo Bleckert hatte auch
ein Markenzeichen. Kein so eindeutiges wie ein ausgestreckter Zeigefinger,
vielmehr ein sehr musisches, geistiges, vieldeutiges, philosophisches
Denken herausforderndes: Es war der Kreis. Der Kreis, der um sich kreist,
der sich in viele Kreise auflöst, der sich halbieren, vierteln und immer
weiter in Minisegmente aufteilen lässt. Sie bieten unzählige
Variationsmöglichkeiten mit Farben, mit Schraffuren. Hajo Bleckert
arbeitete mit Metallfolie. Er erfand eine Uhr aus schwarzen und weißen
Kreisen, ganz ohne Zeiger, und er spielte mit Kreisen und Kreissegmenten
bei den Entwürfen für Halsschmuck, Ohrschmuck, Armschmuck.
Alles, und
mag es auch noch so auseinanderstreben, fügt sich wieder zum Kreis.
Bleckert schuf sozusagen die Kunst zur Chaostheorie. Aber das wusste er
nicht, und die Chaostheorie war noch nicht erfunden.
Aber die
Raumfahrt heizte damals Phantasie und wissenschaftliche Neugier an, die
Volkssternwarte in Bochum und ihr Gründer Kaminsky waren Ausflugsziei
für Tausende. Bleckert ließ sich auf seine Weise anregen, er schuf Kunst
und machte sie zum Schmuck. Und zwar für seine schöne, schwarzhaarige
Frau Uschi. Immer wieder wird sie mit dem Schmuck 2000" in
Illustrierten, in Kunstzeitschriften abgebildet.
Im Januar
1998 ist Hajo Bleckert nach langer Krankheit, die ihn zuletzt in den
Rollstuhl bannte, gestorben. Aber bis zum Schluss kreiste sein Denken und
Tun um den Kreis. Er sammelte Prospekte, Hochglanz-Illustriertenseiten und
komponierte Bilder aus kreisförmigen Ausschnitten, mischte oder sortierte
ihre Farben, ihre grafischen Linien. Uschi Bleckert hütet diesen Schatz
wie auch die Schmuckentwürfe, die er für seine Frau geschaffen hat und
die Erinnerungen an Jahrzehnte, in denen niemand, der die Bleckerts
kannte, jemals die beiden getrennt erlebt hätte.
Jetzt hat
Uschi Bleckert ihre Einwilligung gegeben, dass der Millenium-Schmuck
reproduziert werden darf, für die Arbeit der Obdachlosenzeitung fiftyfifty,
fun deren Freunde und Unterstützer, für Bruder Matthäus und seine
Obdachlosenarbeit in Düsseldorf. Es ist sicher kein Zufall, dass Uschi
Bleckert die Obdachlosenzeit ihres Mannes in Düsseldorf eingefallen ist.
Das war, bevor sie sich kennen lernten. Der Künstler hatte Ende der
fünfziger Jahre im Winter Wohnung und Atelier verloren, kampierte auf der
Rheinwiese, wusch sich in einem Eisloch in den Ständehausanlagen und nahm
allenfalls mal eine Einladung eines Kollegen zum Frühstück an. Uschi
Bleckert ist sicher, dass er ihre Entscheidung, die Obdachlosenarbeit zu
unterstützen, gebilligt hätte.
Sein Wunsch
einer Seebestattung bei der Insel Rügen wurde erfüllt. Uns bleiben seine
Kunst- und Schmuckwerke, die so faszinierend und rätselhaft sind wie das
Jahrtausend, das vor uns liegt. Und schön. Das soll uns Mut machen. |